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Von wegen Natürlichkeit

Einer Studie des Deodorantherstellers Bionsen zufolge, belasten schönheitsbewusste Frauen ihr Gesicht durch Kosmetika mit täglich bis zu 515 Chemikalien. Dabei nehmen Parfüms mit zum Teil über 400 Substanzen die Spitzenreiter-Position ein, aber auch eine einfache Body Lotion enthält noch 32 chemische Komponenten.

Die beeindruckenden Bilder von Blüten, Früchten, Gräsern oder Wurzeln, welche im Film „Das Parfüm“ Duftgeber wohlriechender Essenzen sind, lassen leicht vergessen, dass Parfüm heute fast ein reiner Chemikaliencocktail ist. 80 bis 90 Prozent der Inhaltsstoffe werden synthetisch hergestellt und das meist aus Erdölderivaten. Bis zu 200 verschiedene Chemikalien landen in einem einzigen Parfüm (laut Sonja Haider, Direktorin von WECF Deutschland/Women in Europe for a Common Future).

Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass mehr als eine Millionen Menschen in Deutschland empfindlich auf Duftstoffe reagieren. Selbst wenn man auf Parfüm verzichtet, kann man dem Reiz für Nase und Haut kaum entgehen: Duftstoffe finden sich auch in Reinigungs- und Waschmitteln, Kosmetikartikeln, Sprays aller Art, Duftkerzen und vielen weiteren Produkten des täglichen Bedarfs. Seit 1950 hat sich der Gebrauch von Duftstoffen verzehnfacht und allein in den 80er Jahren verdoppelte sich der Umsatz der Parfümindustrie. In Zusammenhang mit Duftstoffen werden körperliche Beschwerden wie Migräne, Hautallergien, Asthma, Schwindel, Herzbeschwerden, Geburtsschäden, Krebs sowie viele andere Krankheiten gebracht.

 

Parfüms im Labor getestet - Rückstände im Blut

Die Zeitschrift ÖKO-TEST ließ im Oktober 2009 30 Parfüms gründlich auf ihre Inhaltsstoffe untersuchen. Das Ergebnis war erschreckend: Die meisten Parfüms enthielten allergieauslösende Duftstoffe, welche mittlerweile auf der Verpackung zu deklarieren sind. Nur vier der 30 getesteten Produkte schnitten mit dem Urteil „befriedigend“ ab, darunter die beiden zertifizierten Naturparfüms. An fast allen Parfüms wurden nicht nur Duftstoffe, sondern weitere bedenkliche Inhaltsstoffe kritisiert. Knapp die Hälfte der Produkte enthielten außerdem die oft stark allergisch wirkenden Stoffe Eichenmoos, Baummoos, Isoeugenol oder Cinnamal. 22 Parfums waren mit polyzyklische Moschus-Verbindungen versetzt, sieben davon zudem mit Cashmeran - ein Duftstoff, der in seiner Struktur stark den polyzyklischen Moschus-Verbindungen ähnelt und sich wie diese im Fettgewebe des Körpers anreichert.

Ein anerkanntes Labor in den Niederlanden hat 2005 für Greenpeace insgesamt 69 Blutproben, 42 Mutterblutproben und 27 Nabelschnurblutproben untersucht. Dabei stießen die Wissenschaftler besonders häufig auf künstliche Moschusverbindungen.

In zwölf Parfüms fand das von ÖKO-TEST beauftragte Labor erhöhte bis stark erhöhte Mengen Diethylphthalat. Dieser Stoff wird in der Kosmetik unter anderem als Lösungsmittel oder Trägerstoff den Parfümmischungen beigesetzt. Er kann von der Haut aufgenommen werden und ihren Schutzmechanismus beeinflussen. Außerdem werden Phthalate verdächtigt, Leber, Niere und Fortpflanzungsorgane zu schädigen und wie ein Hormon zu wirken. In 21 Marken waren bedenkliche UV-Filter enthalten, die im Tierversuch wie ein Hormon wirkten. Die Substanzen sind auf der Verpackung unter den deklarierten Inhaltsstoffen als Ethylhexyl Methoxycinnamate, Benzophenone-1 und -3 zu finden.

EU-Chemikalienverordnung - organisierte Unverantwortlichkeit

In dem Film „Plastic Planet“ erzählt die Vizepräsidentin der EU-Kommission Margot Wallstrom über die EU-Chemikalienverordnung REACH, dass während ihrer Amtszeit von tausenden Stoffen nur elf untersucht wurden. Die Ursache für derart unzulängliche Bemühungen die Substanzen zu erforschen, sieht der Umweltmediziner Klaus Rhomberg auch in der chemischen Industrie begründet. Diese habe Einfluss auf die Verhandlungen über REACH ausgeübt, um von übertriebenen Prüfungen verschont zu bleiben. Erst nach Zustimmung der Industrie sei die Verordnung in Kraft gesetzt worden.

„Die Beurteilung der Schädlichkeit der verwendeten Substanzen liegt in Europa weitgehend bei den Riechstoffherstellern. Die Herstellertests betreffen meist nur Auswirkungen auf die Haut, selten beurteilen sie die Effekte auf Atemwege, Nervensystem und Fortpflanzung. Dabei ist nachgewiesen, dass Duftstoffe selbst in winzigen Dosen Wirkungen im zentralen Nervensystem auslösen und krank machen können", erläutert Sonja Haider.

In den USA und Kanada werden aus dem vorliegenden Wissen über gesundheitliche Risiken durch Duftstoffe vermehrt die Konsequenzen gezogen und duftstofffreie Zonen in öffentlichen Gebäuden eingerichtet.

 

Quellen:

http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=93755;bernr=10;co=;suche=Parf%FCms